Freitag, 14. März 2014

Hope in hopeless days

Zukunftsweisende Fahrzeugkonzepte?

Wir wollen nicht übertreiben. Sollte man unsere Tage als hoffnungslos bezeichnen können, dann sicher aus anderen Gründe als solchen, die mit Autos und Design zu tun haben.

Trotzdem: Es ist schon ein merkwürdiges Gefühl, an einer Entwicklung Anteil zu haben, von der eigentlich alle wissen, dass sie so nicht weitergehen kann. Wenn über 7 Milliarden Menschen Auto fahren wollten, wäre das ein Katastrophe. Wir wissen das, tun in den reichen Ländern aber so, als gingen Ausbreitung und Wachstum immer so weiter. Die Ressourcen, die benötigt werden, um ein einziges unserer Autos zu bauen und zu betreiben würden anderswo auf diesem Planeten wahrscheinlich genügen, um einer ganzen Familie die Lebensgrundlagen für mehrere Jahre zu sichern. Einen Rest von Freude am Automobil kann man sich als denkender Mensch eigentlich nur erhalten, wenn man das ignoriert. Oder wenn man sich selbst, die Gesellschaft und das Auto-Business als im Umbruch befindlich versteht.

Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, wo zur Zeit revolutionäre Entwicklungen zu sehen sind, ob sich irgendwo findet, was man heute als Game Changer bezeichnet. Der automobile Mainstream hat sich, nach einer kurzen Phase des Aufbruchs um die IAA 2011 herum, wieder vollständig auf das Konzept des »mehr desselben« zurückgezogen. Digitale Displays und elektronische Assistenzsysteme schaffen ein Gefühl von Fortschritt; was die Grundfunktion des effizienten Fahrens betrifft, tritt die Branche in erschreckender Weise auf der Stelle. Und das manifestiert sich interessanterweise in einem immer gleichförmiger werdenden, immer inhaltsärmeren Design, das nur noch eine Aussage kennt: Dynamik. Aber Dynamik ohne Substanz ist ungefähr das gleiche wie »Vollgas Leerlauf«. Und Substanz entsteht aus anderen als rein wirtschaftlichen Motiven und kann nicht am Computer simuliert werden.

Game Changer sind nicht die mit geringstmöglichem Aufwand hingestellten Hybridmodelle – der VW-Konzern verkauft dasselbe Fahrzeug als Golf GTE und Audi A3 e-tron und bewirbt beide damit, dass sich für den Nutzer nichts ändert.

Game Changer sind auch nicht immer wieder neu als revolutionär angepriesenen Varianten ein und desselben Designkonzeptes, seien sie hoch oder flach, klein oder groß.
Doch welche Fahrzeuge ändern das Spiel und die Regeln?

Der i3, BMWs Elektro-Pionier
Ohne Frage einer der markantesten Kandidaten ist der BMW i3: Ein Fahrzeug, das »from the scratch« neu entwickelt wurde, mit neuem Antrieb (rein elektrisch) und neuer Karosserietechnik (kohlenstofffaserverstärkter Kunststoff). Man muss über die Motive und Hintergründe nicht allzu viel nachdenken: Der i3 ist da, und er scheint tatsächlich den X1 und ähnliche als Zweitfahrzeug für Wohlhabende teilweise abzulösen. Das ist gut. Aber ist es auch relevant? Ist der i3 mehr als ein teures Symbol? Kann er das Spiel als ganzes verändern? Ich bezweifle es, denn die Art und Weise, wie der i3 konstruiert ist und wie er hergestellt wird limitiert seine Marktpräsenz doch ganz erheblich. Dazu kommt der hohe Preis, die halbherzige Versorgung mit Lademöglichkeiten und das, vorsichtig gesagt, »originelle« Design. Gerade die Gestaltung des i3 macht ihn als Symbol sichtbar, und das ist offenbar auch die Absicht. Es gibt hier ein paar bewusste Regelbrüche, die nicht anders als provozierend verstanden werden können. Aber dieser plakative Auftritt kann nicht verbergen, dass der »Spirit« sich nicht wirklich gewandelt hat. Es geht immer noch um's Herzeigen, um demonstrative Distinktion (was, wie ich hier schon angedeutet habe, ein Widerspruch in sich ist) um »das bessere Auto für den besseren Menschen«. Der i3 ist weder besonders bescheiden noch ausgesprochen funktional. Beides würde ihm aber helfen, die Behauptung vom nachhaltigen Fahren zu verwirklichen. Eine unlackierte Dekorblende aus einem schnell nachwachsenden Holz – das ist eben noch keine nachhaltige Produktion. Der kleine Elektro-BMW ist kein Beispiel, kein Prototyp für eine neue Generation von Fahrzeugen, sondern ein solitäres Symbol, dessen Sichtbarkeit bei der Entwicklung offenbar viel wichtiger war als seine eigentliche Funktion: Menschen ressourcenschonend und unter Nutzung erneuerbarer Energie von A nach B zu bringen.

Ähnliches lässt sich übrigens über den Renault Zoe sagen, der noch viel konservativer ist, und zusätzlich mit einer von vielen als »kosmetisch feminin« empfundenen Weichheit und Pastelligkeit versehen wurde. Hier wurde bestimmte Vorurteile gegenüber E-Mobilität in Form gebracht, was nicht gerade hilft, dieser ein besseres Standing in der allgemeinen Wahrnehmung zu geben.

Wo ist nun die Hoffnung? In Genf waren zwei relativ klassische Fahrzeuge mit konventionellem Antrieb zu sehen, die dennoch Aufmerksamkeit verdienen, weil sie in Sachen Design wenigstens ein wenig vom aktuellen Konsens abweichen.

Das eine ist der Citroën Cactus, keine Studie, sondern ein Serienauto mit vielen liebevollen Details und einer sehr speziellen Ausstrahlung. Es handelt sich hier nicht um eine Waffe oder ein Sportgerät (was in der allgemeinen, unbewussten Wahrnehmung gar nichts so verschiedenes ist), es handelt sich um einen Lebensraum auf Rädern, auf Neudeutsch bzw. Neu-Französisch »Lounge Concept« genannt. Damit macht der Cactus ein Erlebnis bezahlbar, das es bisher eigentlich nur in der Luxusklasse gab, nämlich das, ein Zimmer zu haben, in dem man sich gerne aufhält – und das sich, beinahe nebenbei, durch die Geografie bewegt. Die »Airbumps« genannte Rundumpolsterung außen verrät, dass es sich um eine Auto gewordene Umsetzung der Idee vom Cocooning handelt. Der Rückzug in einen persönlichen Schutzraum angesichts einer als bedrohlich empfundenen Umwelt ist hier so konsequent illustriert wie bei keinem anderen Auto, und der Name erklärt den Prozess des »Einigelns« noch mal zusätzlich. Das ändert zwar noch nichts an der Gesamtsituation, in der die erlebte Bedrohung von anderen Verkehrsteilnehmern (also Menschen wie du und ich) ausgeht, aber es bringt zumindest eine neue Farbe ins Spiel: Man muss Aggression nicht mit Gegenagression beantworten, man kann sich auch aus dem Kampf zurückziehen. Das ist, jedenfalls in dieser Klasse, ziemlich neu und also bemerkenswert.


Ein ganz anderes Ding ist der Volvo Concept Estate, die dritte in einer Reihe von ähnlichen Studien, die der schwedische Hersteller mit chinesischem Geld in den letzen Monaten verwirklicht hat. Normalerweise gehen alle Versuche schief, Authentizität am Reißbrett (bzw. am Computer) zu erschaffen. Aber die Concept Cars, die Thomas Ingenlath seit Übernahme der Designverantwortung bei Volvo präsentiert, sind tatsächlich kontrolliert authentisch, und zwar in einem fast atemberaubenden Maß. Obwohl formal und konzeptionell sehr nahe am Mainstream aktuellen Autoschaffens, haben die Volvo-Studien nicht nur erstaunlich viel Charakter, sie bringen auch eine neue Stimme in den Chor des »dynamischer, aggressiver, emotionaler«, das irgendwer als Partitur für Autodesigner ausgegeben zu haben scheint. Insbesondere das Coupé ruht, bei aller Kraftmeierei, in einer Weise in sich, die es vielleicht in den sechziger Jahren bei den Werken der unabhängigen Karosseriekünstler zum letzen Mal gegeben hat. Soviel Selbstbewusstsein, ja, ein solches Maß an feiner Arroganz strahlt kein anderes aktuelles Design aus. Auch so kann man dem täglichen Hahnenkampf auf der Straße entgehen: Indem man sich nur noch um sich selber kümmert. Das geht dann nach innen mit einer unglaublichen Detailliebe weiter, mit einem Interior, das zwar klar und geradlinig ist, aber reich und wertvoll gestaltet wurde. Jedes Teil hat hier eine Herkunft, teilweise wird das durch Labels zusätzlich sichtbar gemacht, aber vor allem ist es spürbar, als Charakter, als Atmosphäre, als Wohlgefühl. Wenn Volvo diese Art des Gestaltens in die Serie hinüber bringt, dann wird das ein sehr interessanter Impuls für die »Premium«-Klasse. Kein deutscher Hersteller kann ähnliches. Probleme werden auf diese Weise zwar keine gelöst, zumindest aber wird der Stumpfsinn des »immer mehr von immer dem gleichen« etwas gemildert.

Game Changer? Nicht wirklich. Aber ein erster Schritt Richtung Paradigmenwechsel.

Wenn es einen echten Game Changer gibt, dann ist es der Tesla S. Hier verbindet sich ein wunderbar durchgearbeitetes superklassisches Design in der Tradition von Aston Martin mit vollkommen einmaliger Technik und – was viel mehr ist – mit einem Gesamtkonzept für die Zukunftsentwicklung des Autos in den reichen Industrieländern. Tesla hat einen Plan, der, in kurzen Worten, darin besteht, mittelfristig eine elektrische Massenmotorisierung zu ermöglichen, damit den Individualverkehr in der Breite auf die Basis erneuerbarer Energien zu stellen (nur darum geht es den Befürworten und Vorkämpfern der E-Mobilität!) und das Ganze mit substanziell nachhaltigen Produkten zu schaffen.

Ein Tesla S am Supercharger
Deswegen ist das Produkt Tesla S, so begehrenswert es machen erscheinen mag, auch wieder nur ein Mittel zum Zweck. Anders als der i3 besteht dieser Zweck aber nicht im Aufstellen und Ausstellen von Behauptungen, deren Beweis man gerne noch lange abwartet, sondern im Schaffen von Tatsachen. Das Supercharger-Netzwerk z.B., das gerade in Europa errichtet wird und bis 2015 flächendeckend eine Dichte von ca. 200 km haben soll, ist eine solche Tatsache. Sollten die Amerikaner dann 2016 ein Fahrzeug in der Größe und zu dem Preis eines i3 auf den Markt bringen, dann werden Tesla-Kunden viel mehr bekommen als ein spektakuläres Pionier-Produkt. Sie werden Anteil an einem funktionierenden Gesamtsystem erhalten, das sie von fossilen Brennstoffen unabhängig macht. Hat das Relevanz? Ich bin davon überzeugt. Wenn Elon Musk nicht eines Tages durch ein mieses Foul aus dem Spiel gekickt wird, dann wird sein Unternehmen Tesla sehr tiefgreifende Veränderungen bewirken. Eines hat er schon mal erreicht: nachdem durch den Tesla S bewiesen wurde, dass große Touchscreens im Auto funktionieren (und langsam alle begreifen, dass man durch das Weglassen von Tasten und Knöpfen Geld sparen kann) findet man solche Touchscreens in Studien aller Hersteller.
Auch der oben genannte Volvo folgt diesem Trend. Wichtiger wären andere Dinge.

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